Nemo Tenetur y La Extención de Kis Deberes de Informar Del Trabajador

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  • 7/26/2019 Nemo Tenetur y La Extencin de Kis Deberes de Informar Del Trabajador

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    Aufstze I. Roxin Compliance

    Probleme und Strategien der Compliance-Begleitung in

    UnternehmenRechtsanwltin Dr. Imme Roxin, Mnchen

    Am 01./02.10.2011 fand in Passau unter dem Ober-thema Strafverteidigung Grundlagen und Stolper-steine ein Symposion zu Ehren von Prof. Dr. WernerBeulkeaus Anlass seiner feierlichen Verabschiedung alsaktiver Hochschullehrer statt. Wegen der stetig wachsen-den Bedeutung des Themas Compliance fr die Beratungund Verteidigung in Strafsachen wird der Vortrag vonRechtsanwltin Dr. Imme Roxin wie Beulke ebenfallsMitglied des Beirates dieser Zeitschrift nachfolgend do-kumentiert. Er wird zusammen mit weiteren Referatenund einleitenden Texten zu den Veranstaltungsschwer-punkten demnchst in einem Tagungsband im VerlagC.F. Mller publiziert werden; fr das freundliche Ein-verstndnis mit dem Vorabdruck danken wir Herausge-bern und Verlag. d. Red.

    A. EinleitungCompliance bedeutet die Einhaltung von rechtlichen undethischen Regeln. Compliance-Begleitung in Unternehmenkann also smtliche Rechtsgebiete betreffen. In meinem Re-ferat will ich nur die Criminal-Compliance behandeln, wiesie durch spektakulre Groverfahren wie Siemens, MANund Ferrostaal bekannt geworden ist. Jeder, der sowohlCompliance-Beratung macht, wie auf der anderen SeiteVorstnde, Geschftsfhrer oder leitende Angestellte ver-tritt, die sich wegen einer Compliance-Beratung einem Er-mittlungsverfahren ausgesetzt sehen und ihren Job verlorenhaben, wei um die zwei Seiten der Compliance-Medaille.Bei meinen Strategien habe ich versucht, diese beiden Seitenim Blick zu behalten und zu einem Ausgleich zu bringen.Strategien der Compliance-Begleitung kann man nur entwi-ckeln, wenn man sich zunchst ber das Ziel der Compli-ance-Beratung Gedanken macht, dann ber die Probleme,die bei der Zielerreichung auftreten und schlielich nachLsungen sucht, die trotz der Probleme eine Zielerreichungermglichen.

    B. Das Ziel einer Compliance-Begleitung

    Die Compliance-Beauftragten sollen im Unternehmen einsystematisches Konzept zur Sicherstellung regelkonformenVerhaltens installieren,1 das im Bereich Criminal-Compli-ance Straftaten, insbesondere korruptives Verhalten, verhin-dert. Zur Zielerreichung ist es wichtig, dass der Compli-ance-Auftrag nicht nur durch den Vorstand einesUnternehmens erteilt wird. Der Aufsichtsrat ist einzubin-den. Er hat gem. 111 AktG die Pflicht, die Geschftsfh-rung zu berwachen. Dazu gehrt auch, dass er sich mitdem Compliance-System befasst.2 Der Vorstand hat ver-stndlicherweise in erster Linie ein Interesse daran, seineHaftung zu vermeiden. Zu Recht weist Rotsch darauf hin,dass die hufig als Ziel von Criminal-Compliance genannteHaftungsvermeidung zu wenig ist. Sie birgt die Gefahr insich, zur bloen Haftungsverlagerung zu werden, vom Vor-

    stand weg auf eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter.3Das ist nicht im Unternehmensinteresse. Geldbuen, Ge-

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    winnabschpfung, Ansehensverlust etc. drohen genauso, alswenn der Vorstand selber gehaftet htte.

    Strategie I: Auftrag vom Vorstand und dem Aufsichtsrat ei-nes Unternehmens, ggf. nur vom Aufsichtsrat.

    C. Die Vorgehensweise bei einer Compliance-Bera-tungDie definierte Zielerreichung der Compliance-Beratungsetzt notwendig voraus, dass die Compliance-Beauftragtenzunchst herausfinden, wo im Unternehmen die Schwach-

    stellen sind, d.h. in welchen Bereichen und bei welchenVorgehensweisen die Gefahr gesetzwidrigen Verhaltensdroht oder ein solches gar schon stattgefunden hat. Nehmenwir an, aufgerttelt durch die Siemens-Affre, beschliet derAufsichtsrat eines Unternehmens, eine Compliance-Bera-tung durchfhren zu lassen. Dies geschieht in einem erstenSchritt durch berprfung der Buchhaltung auf aufflligeZahlungen. Dazu bedient sich die Compliance-Kanzleimeist einer der groen Wirtschaftsprfungsgesellschaften,die ein EDV-gesttztes Programm haben, mit dem sie auf-fllige Geschftsvorflle im Buchhaltungssystem identifizie-ren knnen. Den als auffllig identifizierten Zahlungen wer-den Vertrge und Leistungsnachweise, soweit vorhanden,sowie Rechnungen und Zahlungsanweisungen zugeordnet.Es werden ferner die Zahlungsempfnger und die Zahlungs-

    wege recherchiert. Gleichzeitig werden die Mitarbeiter fest-gestellt, die in diese Zahlungsvorgnge eingebunden waren.Soweit datenschutzrechtlich zulssig, wird Zugriff genom-men auf dienstliche E-Mails und elektronische Dateien.4

    Schlielich folgen Interviews mit diesen Mitarbeitern. In al-ler Regel werden auch noch die zustndigen Organe befragt.Es knnte sich ein Verhalten der Organe ergeben, das ggf.zu einem Schadensersatzanspruch des Unternehmens fhrenwrde.

    D. Die Probleme bei einer Compliance-BeratungDie bei einer Compliance-Beratung auftretenden Problemelassen sich am besten an einem praktischen Fall verdeutli-chen. Zu Beginn der durch die Siemens-Affre ausgelsten

    Compliance-Aktivitten gab es keine Richtlinien, Thesenoder Standards, wie bei der Befragung von Mitarbeiterndurch Compliance-Anwlte vorzugehen sei. In einem Fallfand das Interview im Rahmen einer gemtlichen Teestundestatt. Das von den Compliance-Anwlten erstellte Gedcht-nisprotokoll wurde dem Interviewten nicht ausgehndigt,eine Unterschrift nicht eingefordert. Belehrungen welcherArt auch immer gab es nicht, allerdings den Hinweis auf diearbeitsrechtliche Mitwirkungspflicht. Eine zweite Befragungdesselben Mitarbeiters, 1 Jahre spter, fand wiederumohne Belehrung statt. Die Aushndigung des von ihm vorder Befragung erbetenen Protokolls der ersten Befragung

    1 ReichertZIS 2011, 113 (114).

    2 Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, 111 Rn. 9.3 RotschZIS 2010, 614 (615).4 Gpfert/Merten/SiegristNJW 2008, 1703 (1705).

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    wurde verweigert. ber eine Mitteilung der Betriebsprfungerfuhr die Staatsanwaltschaft von der Vergangenheitsbewl-tigung. Bei einer Durchsuchung wurde das gesamte Materialder Compliance-Anwlte beschlagnahmt, einschlielich derInterviewprotokolle. Eine Beschwerde gegen die Beschlag-nahme wurde vom Landgericht zurckgewiesen. Die Inter-viewten fanden sich als Beschuldigte eines Strafverfahrenswieder. Natrlich wurden sie vor ihrer nunmehr stattfinden-den Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft ordnungsge-m belehrt. Gleichzeitig wies die Staatsanwaltschaft aberdarauf hin, dass ihre gegenber den Compliance-Anwltengemachten Angaben selbstverstndlich verwertet werdenknnten. Auf der Grundlage dieses praktischen Falles erge-ben sich eine Flle von Fragen, die ich keinesfalls alle dar-stellen oder gar einer Lsung zufhren kann:

    Wo bleibt der nemo-tenetur-Grundsatz? Gibt es Belehrungs- und Protokollierungspflichten fr

    Compliance-Anwlte, wenn sie Mitarbeiter oder Organebefragen?,

    Arbeitsrechtliche Auskunftspflicht der interviewten Mitar-beiter?,

    Zeugnisverweigerungsrechte von Compliance-Anwltengegenber der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Mitar-beiterbefragungen?

    Beschlagnahmefreiheit bezglich der Unterlagen derCompliance-Anwlte?,

    Verwertungsverbot bzgl. der Mitarbeiteraussagen in einemStrafverfahren bei Nichtbelehrung?

    Bevor man die Probleme nher beleuchtet, stellt sich dieFrage, ob es berhaupt notwendig ist, im Rahmen einerCompliance-Beratung die Staatsanwaltschaft einzuschalten.Denn nur dann, wenn es ein Neben- oder Nacheinandervon Compliance-Interviews und StA-Aktivitten gibt, stel-len sich die geschilderten Probleme. Um diese Frage zu kl-ren, ist es erforderlich, nach den Beweggrnden fr einenCompliance-Auftrag zu fragen.

    E. Die Beweggrnde fr eine Compliance-Bera-tung im UnternehmenI. Sehr selten drfte es sein, dass das Unternehmen denCompliance-Auftrag mit bltenweier Weste erteilt, d.h.mit Sicherheit fr die Vergangenheit strafbares Verhalten imUnternehmen ausschlieen kann. Kein Unternehmen wirdGeld ausgeben, wenn es nicht notwendig ist.

    II. Ein auf der Hand liegender Grund ist eine Durchsu-

    chung durch die Staatsanwaltschaft. Das betroffene Unter-nehmen ist gut beraten, sofort jede Art von Korruption ein-zustellen, was sich von selber versteht, gegenber derStaatsanwaltschaft vollstndige Kooperationsbereitschaft zusignalisieren und eine auf Compliance-Ttigkeit speziali-sierte Anwaltskanzlei mit der internen Aufarbeitung smtli-cher nicht verjhrter Sachverhalte zu beauftragen. Auf dieseWeise erlangt das Unternehmen einen Bonus bei der Staats-anwaltschaft. Es wird der Staatsanwaltschaft eine umfangrei-che Ermittlungsttigkeit erspart. Es gelingt mglicherweise,strafrechtlich relevante Sachverhalte mit Auslandsbezug auf-zudecken, die anderenfalls gar nicht oder nur ber denmhsamen und langwierigen Rechtshilfeweg aufgeklrt wer-den knnten.

    III.Ein weiterer Grund kann sein, dass der Unternehmens-leitung Gerchte ber Bestechungszahlungen zu Ohren

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    kommen. Man muss davon ausgehen, dass die Mitarbeiterinsoweit seit der Siemens-Affre sehr sensibilisiert wordensind. In diesem Fall sollte ebenfalls rasch ein Compliance-Auftrag zur internen Aufarbeitung erteilt werden.

    IV.Auch eine angekndigte, bevorstehende Betriebsprfungkann Anlass fr einen derartigen Compliance-Auftrag sein.Betriebsprfer sind durch interne Anweisungen gehalten,verstrkt nach Bestechungszahlungen zu suchen.5

    V. Auf einen weiteren Beweggrund der nach ihrer Auffas-sung zwingend fr einen Compliance-Auftrag spricht, ha-ben unlngstSahan/Berndthingewiesen,6 die neue Kronzeu-genregelung des 46b StGB. Ein der Unterschlagungbezichtigter Mitarbeiter kann einen erheblichen Anreiz ha-ben, der Staatsanwaltschaft offenzulegen, dass in seinemUnternehmen Bestechungen begangen wurden. Ein innererZusammenhang zwischen der vorgeworfenen Unterschla-

    gung und den Bestechungszahlungen ist nach dem derzeiti-gen Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Die Bundesjustiz-ministerin will das freilich ndern.7 In den Fllen, in denendie Staatsanwaltschaft keinen Verdacht gegen das Unterneh-men hatte, die Compliance-Ttigkeit aber mglicherweisestrafbare Sachverhalte zu Tage gefrdert hat, muss erwogenwerden, ob die Kooperation mit der Staatsanwaltschaft imUnternehmensinteresse liegt.

    F. Kooperation mit der Staatsanwaltschaft auchohne Anfangsverdacht der Justizbehrden?Wenn die Compliance-Ttigkeit korruptive Sachverhalteaufdeckt, fllt in aller Regel eine schriftliche Klarstellunggegenber den Steuerbehrden an. Nachdem seit dem

    01.01.1999 Bestechungszahlungen nicht mehr gewinnmin-dernd als Betriebsausgaben in der Steuererklrung geltendgemacht werden drfen, wurden solche Zahlungen auf vie-lerlei Weise, insbesondere als Beraterhonorare, in der Buch-haltung verschleiert und auch weiterhin als Betriebsausga-ben deklariert. Dies ist eine Steuerhinterziehung. EinVorstand oder speziell fr die Steuererklrungen beauftrag-ter Mitarbeiter, der dies wusste, muss eine Selbstanzeige ab-geben, um wenigstens hinsichtlich der Steuerhinterziehungstraffrei zu werden ( 371 AO). Die Strafbarkeit wegen Kor-ruption bzw. Untreue bleibt davon natrlich unberhrt.Wenn die genannten Personen erst durch die Compliance-Aufarbeitung von den unzulssig geltend gemachten Be-triebsausgaben erfahren, mssen sie die unrichtigen Steuer-erklrungen unverzglich berichtigen ( 153 AO).8 Ande-renfalls sind sie strafbar wegen Steuerhinterziehung durchUnterlassen. Eine Selbstanzeige oder eine Berichtigungser-klrung lsst aber das Finanzamt aufmerksam werden. Eswird den Vorgang, wozu es nach 4 Abs. 5 Nr. 10 S. 3EStG verpflichtet ist, an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.Die naheliegende Folge ist die Einleitung eines Ermittlungs-verfahrens oder/und eine Durchsuchung.

    Dann besteht zwar immer noch die Mglichkeit einer sofor-tigen Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und bergabeder bisherigen internen Ermittlungsergebnisse. Der zustzli-che Bonus, den die freiwillige Anzeige der korruptiven Vor-

    5 Sahan/BerndtDB 2010, 647 (650).

    6 Sahan/BerndtDB 2010, 647 (647).7 SZ v. 28.04.2011.8 MomsenDB 2011, 1792 (1794); Jahn/KirschStV 2011, 151 (152).

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    gehensweise durch das Unternehmen mit sich bringenwrde, ist aber dahin. Dieser Bonus kann sich in dreifacherWeise vorteilhaft auswirken:

    Es kann dadurch gelingen, die in aller Regel fllige Unter-nehmensgeldbue nach 30 OWiG niedrig zu halten.

    Dasselbe kann fr die fllige Gewinnabschpfung gelten( 29a, 30 Abs. 4, 17 OWiG).

    Vielfach kann die Staatsanwaltschaft davon berzeugtwerden, dass es fr die Aufklrung und Zusammenarbeitvon groem Vorteil ist, die Medienffentlichkeit und da-mit einen Reputationsverlust zu vermeiden.

    Man muss also zu dem Ergebnis kommen, dass es im Unter-nehmensinteresse liegt, korruptive Sachverhalte, die eineCompliance-Ttigkeit zutage gefrdert hat, der Staatsan-waltschaft freiwillig zur Kenntnis zu bringen.9

    Strategie II: Bei Aufdeckung von Straftaten und insbeson-dere korruptiven Vorgngen ist die Kontaktaufnahme derCompliance-Anwlte zur Staatsanwaltschaft empfehlens-wert.

    Das Interesse der Mitarbeiter oder Organe, die in die inkri-minierten Zahlungen verwickelt sind, ist zwangslufig eingegenteiliges, nmlich von einer Offenbarung abzusehen,weil sie sich anderenfalls mit einem strafrechtlichen Ermitt-lungsverfahren konfrontiert sehen. Dennoch wird die Com-pliance-Kanzlei als Unternehmensanwalt zur Kontaktauf-nahme mit der Staatsanwaltschaft raten, weil allein dies imUnternehmensinteresse liegt. Bei freiwilligem Offenbarenund Beenden der korruptiven Vorgehensweise kann es zu-dem, wie die Praxis lehrt, durchaus gelingen, den Unterneh-

    mensbonus von Seiten der Staatsanwaltschaft auch auf dieMitarbeiter auszuweiten, die an den Bestechungszahlungenbeteiligt waren, mit der Folge von Einstellungen nach demOpportunittsprinzip oder moderaten Sanktionen im nied-rigen Geldstrafenbereich. Es zeigt sich hier, dass die Unter-nehmensinteressen im Bereich Criminal-Compliance nichtnotwendig identisch sein mssen mit den Interessen desVorstandes. Ein Vorstand, der selber in inkriminierte Zah-lungen verwickelt ist, oder auch nur seine Aufsichts- bzw.Organisationspflicht nach 130 OWiG verletzt hat, wirdalles daran setzen, einen Compliance-Auftrag zu verhindern.Auftraggeber fr eine Compliance-Beratung sollte daher im-mer zumindest auch der Aufsichtsrat sein. Wenn es aberim Unternehmensinteresse liegt, mit der Staatsanwaltschaftzu kooperieren, muss der Compliance-Anwalt seinem Auf-traggeber diese Kooperation auch empfehlen. Es stehen sichdann Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen kontroversgegenber mit den eingangs geschilderten Problemen.

    G. Lsungsmglichkeitenber die geschilderten Probleme knnte man ggf. rigoroshinweggehen. Schlielich haben die betroffenen Mitarbeiterund Organe mglicherweise Straftaten begangen. Daswrde aber verkennen, welche Brisanz sich aus dem Span-nungsverhltnis zwischen privaten Compliance-Ermittlun-gen und dem in einem Rechtsstaat zu beachtenden nemo-tenetur-Grundsatz ergibt. Darauf weist der Strafrechtsaus-schuss der Bundesrechtsanwaltskammer im Vorwort zu sei-nem Thesenpapier zum Unternehmensanwalt im Strafrecht

    zu Recht hin.10 Auerdem ist es zweifelhaft, ob es wirklichim Unternehmensinteresse sein kann, wenn wie bei Siemens

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    und MAN die Compliance-Anstrengungen geprgt werdendurch strafrechtliche Groverfahren gegen zahlreiche lei-tende Angestellte und Organe mit entsprechender Medien-Berichterstattung sowie deren Rauswurf aus dem Unterneh-men, obwohl sie letztlich nicht sich bereichert haben, son-dern im Unternehmensinteresse ttig sein wollten. Ein Kon-zern mag ein derartiges personelles Revirement verkraftenknnen. Anders ist es mglicherweise bei den mittelstndi-schen Unternehmen, die mehr auf die Kontinuitt ihrerMitarbeiter angewiesen sind. Es ist zwar nur eine Vermu-tung, aber vielleicht liegt hier neben den Kosten die Ursachedafr, dass, wie Rotschfeststellt, mittelstndische Unterneh-men, die durchaus Anlass zur Sorge htten, in das Visier derStrafverfolger zu geraten, keinen Compliance-Auftrag ertei-len.11

    Meines Erachtens sollte zur Zielerreichung gesetzmigenVerhaltens im Unternehmen idealerweise eine Unterneh-menskultur entwickelt werden, die ein Bekenntnis zurRechtstreue enthlt und von allen Unternehmensangehri-gen gleichermaen getragen wird.12 Das wiederum kann nurgelingen, wenn Compliance-Manahmen nicht von der Un-ternehmensleitung ohne Rcksicht auf die Mitarbeiter ein-gesetzt und durchgefhrt werden.13 Es muss also versuchtwerden, Strategien zu entwickeln, die zu einer Zielerrei-chung unter Einbindung der Mitarbeiter fhren. Dies kannnur gelingen, wenn die Unternehmensleitung mglichstschonend und nicht in rechtsstaatlich bedenklicher Weisemit den Mitarbeitern umgeht. Nach allem bisher Gesagtenversteht es sich im Grunde von selbst: Es geht in diesemReferat nur um die Arbeitnehmer, die Criminal-Compli-ance-Verste im vermeintlichen Unternehmensinteresse

    begangen haben, z.B. Zahlung von Schmiergeldern zur Er-langung von Auftrgen, nicht um strafbare Handlungen vonArbeitnehmern mit dem Ziel der Eigenbereicherung, z.B.Annahme von Schmiergeldern, eigenntzige Untreue.

    Strategie III: Schaffung einer Unternehmenskultur derRechtstreue unter Bercksichtigung der Arbeitnehmerinte-ressen.

    Wie kann dies aber gelingen, wenn die Arbeitnehmer ar-beitsrechtlich eine Auskunftspflicht gegenber den Compli-ance-Anwlten trifft, diese ggf. mit der Staatsanwaltschaftzusammenarbeiten und deshalb die Gefahr besteht, dass dieAussagen der Betroffenen in die Hnde der Staatsanwalt-schaft gelangen?

    I. Arbeitsrechtliche Auskunftspflicht?Die herrschende Meinung im Arbeitsrecht nimmt eine aufdas Weisungsrecht des Arbeitgebers gesttzte Aufklrungs-und Auskunftspflicht des Arbeitnehmers an.14 Unter Beru-fung auf ein BAG-Urteil aus dem Jahr 1995 heit es, dieArbeitnehmer-Interessen und der nemo-tenetur-Grundsatzhtten hinter dem Informationsinteresse des Arbeitgeberszurckzustehen. Dies soll zumindest fr das eigene Arbeits-gebiet des Mitarbeiters gelten. Gerade dieses ist aber der

    9 Vgl. hierzu auchWybitulBB 2009, 606 (610).10 BRAK-Stellungnahme Nr. 35/2010 = BRAK-Mitt. 2011, 16.11 RotschZIS 2010, 614 (614); vgl. auch LeipoldNJW-Spezial 2009, 24 f.12 Vgl.Lampert, in: Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010,

    9 Rn. 6, 18; RotschZIS 2010, 614 (615).

    13 Lampert(Fn. 12), 9 Rn. 6.14 Ltzeler/Mller-SartoriCCZ 2011, 19; vgl. auch MomsenDB 2011, 1792(1795).

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    Bereich, in dem sich der Arbeitnehmer ggf. strafbar gemachthaben kann. Kenntnisse, die dem Mitarbeiter zufllig ausanderen Unternehmensgebieten bekannt werden, drftenfr seine Person schwerlich den nemo-tenetur-Grundsatztangieren. Arbeitsrechtlich lsst sich nach dieser Auffassungdie Diskrepanz zwischen arbeitsrechtlicher Auskunftspflichtund dem strafrechtlichen nemo-tenetur-Grundsatz nichtausrumen.

    Die Probleme um die Auskunftspflicht werden noch ver-schrft durch die von den Unternehmen im Zusammenhangmit einer Compliance-Beratung ausgesprochenen Amnestie-regelung. Darin verzichtet das Unternehmen in aller Regelauf arbeitsrechtliche Folgen und Schadenersatzansprche,wenn der Mitarbeiter wahrheitsgem und vollstndig zurAufklrung von problematischen Sachverhalten beitrgt undbernimmt ggf. die Kosten fr einen Rechtsbeistand. Hu-fig stehen diese Amnestieangebote zudem unter dem Vorbe-halt einer strafrechtlichen Verurteilung.15

    II. Wie steht es mit Belehrungspflichten fr Compli-

    ance-Anwlte bei Befragung der Mitarbeiter?Gem. 152 StPO hat die Staatsanwaltschaft die Pflicht unddas Recht Straftaten aufzuklren. Dieser Legalittsgrundsatzhat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3GG). Mit dem vom Gesetzgeber der Staatsanwaltschaftbertragenen Ermittlungs- und Anklagemonopol gehen ein-her die Schutzmechanismen der Strafprozessordnung zu-gunsten der Beschuldigten und bestimmter Zeugen, dasSchweige- und Auskunftsverweigerungsrecht ( 136, 55StPO), das Verbot von Zwang, Tuschung etc. bei Verneh-mungen ( 136a StPO) sowie Belehrungspflichten vor einerVernehmung. Nach ganz herrschender Meinung geltendiese Rechte und Pflichten nur bei staatlichen, nicht beiprivaten Ermittlungen.16 D.h. die Compliance-Beauftragtenhaben von Rechts wegen keine Belehrungspflichten, wennsie Unternehmensmitarbeiter befragen, die potenziell als Be-schuldigte in Betracht kommen oder als Zeugen mglicher-weise ein Auskunftsverweigerungsrecht haben.17

    Es besteht aber die sehr naheliegende Gefahr, wie unser Aus-gangsfall gezeigt hat, dass die Interviews in die Hnde derStaatsanwaltschaft geraten. Sei es, dass die Compliance-An-wlte sie der Staatsanwaltschaft mit Blick auf den Kooperati-onsbonus aushndigen,18 sei es, dass sie ber eine Beschlag-nahme in die Hnde der Staatsanwaltschaft gelangen, wieunlngst der Fall der HSH Nordbank gezeigt hat.19Jahnpl-

    diert fr ein Beschlagnahmeverbot gem. 97 Abs. 1 Nr. 3StPO, ggf. in verfassungskonformer Auslegung.20 Das setztfreilich voraus, dass das Unternehmen ein Interesse daran hat,die Aussagen der Arbeitnehmer nicht der Staatsanwaltschaftzu berlassen. Dies ist aber keineswegs immer der Fall. Auchdie BRAK-Thesen gehen ersichtlich von einer Weitergabeaus, wenn sie insoweit eine Belehrungspflicht einfordern.21

    III. Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der ohne

    Belehrung zustande gekommenen Mitarbeiteraussa-

    genIm Strafrecht wird ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlichder ohne Belehrung zustande gekommenen Mitarbeiteraus-sagen erwogen.22

    1. Ein Beweisverwertungsverbot wird diskutiert, wenn der

    Beweis auf rechtswidrige Weise gewonnen wurde. Nachganz herrschender Meinung sind private Ermittlungen, also

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    auch unternehmensinterne Erhebungen, zulssig.23 DieGrenze der Zulssigkeit soll dort erreicht sein, wo die Er-mittlungen durch Private ein Ausma annehmen, welchesdas Ermittlungsmonopol der Staatsanwaltschaft im Ganzenernsthaft herausfordert.24 Wehnert sieht die Grenze ber-schritten, wenn die Staatsanwaltschaft Unternehmensermitt-ler als quasi Beliehene einsetzt.25 hnlich argumentiertPfordte. Er sieht die Privatermittler dann als im Auftrag derStaatsanwaltschaft ttig an, wenn diese gezielt privat ermit-telte Kenntnisse ausnutzt, an die sie wegen ihrer Belehrungs-pflichten mglicherweise nicht herankommen wrde, alsodie Interviews der Mitarbeiter. Das bekannteste Gebiet, aufdem privat ermittelte Erkenntnisse von den Justizbehrdenausgenutzt werden, ist der V-Mann-Einsatz. Dieser zeigt,wie weit die Grenze des Zulssigen gezogen wird. Sogar dasBVerfGhlt diesen Einsatz fr zulssig und notwendig. Esgeht von einer berschreitung der Grenzen des Zulssigen

    erst in Extremfllen aus mit der Folge einer Verfahrensein-stellung. In den vomBVerfGentschiedenen V-Mann-Fllenist berwiegend ein derartiger Extremfall nicht angenom-men worden. Dabei muss man bercksichtigen, dass diesePrivatpersonen im Auftrag oder mit ausdrcklicher Billi-gung der Justizbehrden ttig werden, whrend die Staats-anwaltschaft die unternehmensinternen Ermittlungen nurausnutzt, in den mir bekannten Compliance-Fllen abernicht initiiert. Von einer berschreitung der aufgezeigtenGrenzen kann mithin nicht die Rede sein.26 DerBGHhatzwar unlngst in einem V-Mann-Fall ein Beweisverwer-tungsverbot entsprechend der EGMR-Entscheidung Allangegen Grobritannien angenommen. Zu Recht weist aberschon Jahn darauf hin, dass diese Entscheidung auf dieCompliance-Flle nicht bertragbar ist, weil die Compli-ance-Beauftragten anders als imBGH-Fall nicht heim-lich vorgehen.27

    2.Vielfach diskutiert und teilweise angenommen wird aberein Beweisverwertungsverbot auf der Grundlage des Ge-meinschuldnerbeschlusses desBVerfG.28 In dieser Entschei-dung hat dasBVerfGes als mit der Menschenwrde unver-einbar angesehen, dass der Gemeinschuldner nach derInsolvenzordnung verpflichtet war, Ausknfte auch dann zugeben, wenn er sich damit einer Strafverfolgung ausliefernwrde. Der Gesetzgeber hat deshalb mit 97 Abs. 1 S. 3

    15 MomsenZIS 2011, 508 (510).16 Vgl.MomsenDer Betrieb 2011, 1792 m.w.N.

    17 RudkowskiNZA 2011, 612; MomsenZIS 2011, 508 (514);Ltzeler/Mller-SartoriCCZ 2011, 1923.

    18 Wastl/Litzka/PuschNStZ 2009, 68 (69) gehen davon aus, dass die Unterneh-mensanwlte ihre im Zuge interner Ermittlungen zutage gefrderten Er-kenntnissein der Regeldeutschen Ermittlungsbehrden zur Verfgung stel-len.

    19 LG Hamburg StV 2011, 148.20 Jahn/KirschStV 2011, 151 f.21 BRAK-Stellungnahme (Fn. 10), These 3, Begrndung 4.3.22 Knauer/BuhlmannAnwBl. 2010, 387; MomsenZIS 2011, 508 (516); Jahn

    StV 2009, 41 (44).23 Jahn StV 2009, 41 (43); Pfordte FS Arbeitsgemeinschaft Strafrecht DAV,

    2009, S. 740 (742).24 JahnStV 2009, 41 (43).25 Wehnert, in: Kempf/Lderssen/Volk (Hrsg.), konomie versus Recht im

    Finanzmarkt?, 2011, S. 137; Dann/Schmidt NJW 2009, 1851 (1852);Pfordte, (Fn. 23), S. 755.

    26 So auchJahnStV 2009, 41 (43) fr den Fall Siemens.

    27 JahnStV 2009, 41 (45).28 BVerfGE 56, 37 f.;JahnStV 2009, 41 (44); Pfordte(Fn. 23), S. 740 (753);v. GalenNJW 2011, 945.

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    InsO ein Verwendungsverbot fr derartige Aussagen imStrafverfahren vorgesehen. Es ergibt sich eine eindeutige Pa-rallele zwischen dem Insolvenzrecht und dem hier betroffe-nen Arbeitsrecht. Whrend im Insolvenzrecht die Interessender Glubiger im Vordergrund stehen, sind es im Arbeits-recht die Interessen des Arbeitgebers. In beiden Fllen gehtes um zivilrechtliche Interessen. Diese Interessen darf derStaat nicht fr Strafverfolgungszwecke missbrauchen, ummit ihrer Hilfe Beschuldigte zu berfhren und ihr Schwei-gerecht auszuhebeln. Ein solches Vorgehen verstt gegendie Grundstze eines fairen Verfahrens (EMRK) und auchgegen den Menschenwrdegehalt des nemo-tenetur-Grund-satzes. Eine Anwendung der Gemeinschuldnergrundstzewird von der Rechtsprechung allerdings abgelehnt. Diesegeht davon aus, dass das Prinzip der Selbstbelastungsfreiheitnur bei staatlich veranlasstem Aussagezwang gilt.29 So hltdas LG Hamburg in der schon zitierten Entscheidung fest,

    eine bertragbarkeit des Gemeinschuldnerbeschlussesscheide schon deswegen aus, weil die entstehende Konflikt-lage in diesen Fllen nicht von einer im Widerspruch zumnemo-tenetur-Grundsatz stehenden gesetzlichen Auskunfts-pflicht, sondern von einer freiwillig eingegangenen vertragli-chen Verpflichtung zur mglichen Selbstbelastungausgehe.30 Meine Kollegen Sidhu, von Saucken und Ruh-mannsederhaben in ihrem unlngst verffentlichten Aufsatzbereits auf die Unhaltbarkeit dieser Begrndung hingewie-sen.31 Die Freiwilligkeit der Eingehung des Arbeitsverhlt-nisses kann man schwerlich mit einer freiwilligen Verpflich-tung zum Verzicht auf die Selbstbelastungsfreiheitgleichsetzen. Hat der Arbeitnehmer erst einmal einen Ar-beitsvertrag abgeschlossen, so ist die zwangslufige Folgenach dem jetzigen Stand des Arbeitsrechtes die Selbstbezich-tigungspflicht. Ihm aber anzusinnen, keine Arbeitsvertrgemehr abzuschlieen, um sich ggf. nicht selbst belasten zumssen, wrde zentrale Grundrechte der Brger (freie Ent-faltung der Persnlichkeit, freie Berufswahl) in ihrem We-sensgehalt antasten.

    Mein Ergebnis lautet also: Hinsichtlich der Interviews liegtein Beweisverwertungsverbot vor.

    Damit sind die Probleme freilich nicht gelst, weil die Com-pliance-Beauftragten mglicherweise als Zeugen fr den In-halt der Interviews zur Verfgung stehen, denn bekanntlichlehnt die Rechtsprechung ein Beweisverwertungsverbot mitFernwirkung ab. Ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehtzweifellos im Verhltnis zum Auftraggeber, fr sich gesehen

    aber wohl nicht hinsichtlich der Interviewten. Denn Zweckdes 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO ist der Schutz des Vertrauens-verhltnisses zwischen dem Rechtsanwalt und demjenigen,der seine Hilfe in Anspruch nimmt.32Wegen der Unteilbar-keit des Weigerungsrechtes wird man aber davon ausgehenmssen, dass auch hinsichtlich der Interviewten ein derarti-ges Recht besteht.33 Eine andere Frage ist, ob die Compli-ance-Anwlte sich darauf berufen bzw. berufen knnen,wenn der eigentliche Auftraggeber, das Unternehmen, sievon der Verschwiegenheitspflicht entbunden hat. Es wirdwegen dieser Probleme nach dem Gesetzgeber gerufen.34

    IV. Kann die BRAK-These Nr. 3 die divergierenden In-

    teressen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

    zum Ausgleich bringen?

    Der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammerhat im November 2010 Thesen zum Unternehmensanwalt

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    im Strafrecht entwickelt. Insbesondere die These 3. befasstsich mit der Diskrepanz zwischen arbeitsrechtlicher Aus-kunftspflicht und dem nemo-tenetur-Grundsatz. Der Un-ternehmensanwalt msse insbesondere bei der Befragungvon Mitarbeitern die allgemeinen Gesetze und die sich ausden rechtsstaatlichen Grundstzen ergebenden Standardswahren (These 3 [5]). In der Begrndung (Ziff. 4) heit esdazu, bei Befragung seien die Mitarbeiter darber zu beleh-ren, dass sie einen Anwalt ihrer Wahl beiziehen, das Aussa-geprotokoll einsehen und genehmigen knnten sowie dar-ber, dass das Protokoll ggf. an Behrden weitergegeben undzu ihrem Nachteil verwertet werden kann. So wird es inzwi-schen von Compliance-Anwlten zumindest teilweise schon gehandhabt.

    In der Literatur werden diese Thesen unter Hinweis auf diearbeitsrechtliche Frsorgepflicht begrt. Durch die Hinzu-ziehung eines Rechtsanwalts und den geforderten Hinweisauf die strafprozessualen Konsequenzen der Aussage sei esdem betroffenen Arbeitnehmer mglich, die rechtlichenFolgen einer Aussage bzw. ihrer Verweigerung einzuscht-zen.35 Das mag sein, nur, was gewinnt der Arbeitnehmerdamit? Sagt er nicht aus, bewahrt er sich zwar die Mglich-keit, bei der Staatsanwaltschaft zu schweigen, weil kein Pro-tokoll gegen ihn vorliegt. Ihn treffen aber alle arbeitsrechtli-chen Sanktionen wegen Verletzung seiner arbeitsrechtlichenMitwirkungs- und Aufklrungspflicht, bis hin zur Ver-dachtskndigung. Sagt er entsprechend seinen arbeitsrechtli-chen Pflichten aus, so kann er sich im Strafverfahren zwarimmer noch auf sein Schweigerecht berufen. Praktisch ntztihm das jedoch nichts, weil seine Angaben gegenber denCompliance-Anwlten nach Meinung der Staatsanwalt-

    schaft verwertet werden knnen. Eine freie Entscheidungfr oder gegen die Aussage, wie sie in der Strafprozessord-nung vorgesehen ist ( 136 StPO), ist bei dieser Konstella-tion gerade nicht gewhrleistet. Daran ndert auch die Bei-ziehung eines Rechtsanwaltes nichts.

    V. Eigener LsungsvorschlagFr die Bercksichtigung der Arbeitnehmerinteressen beider Compliance-Beratung wird zu Recht auf die arbeits-rechtliche Frsorgepflicht abgestellt. Sie beinhaltet denSchutz und die Achtung des Persnlichkeitsrechts des Ar-beitnehmers.36 Die Frsorgepflicht verbietet es dem Arbeit-geber, dem Arbeitnehmer grundlos Nachteile zuzufgen.37

    Die vom Arbeitgeber auch von tatverdchtigen Arbeitneh-mern eingeforderte Mitwirkungs- und Auskunftspflicht bei

    den von Compliance-Beauftragten durchgefhrten Inter-views ist ein solcher grundlos zugefgter Nachteil.

    Strategie IV: Hinweis an den Auftraggeber auf seine Frsor-gepflicht.

    Nach herrschender Meinung besteht zwar eine Pflicht desVorstandes, mgliche Rechtsverste hinreichend aufzukl-

    29 JahnStV 2009, 41 (43) m.w.N.; SK-StPO/Wohlers, 4. Aufl. 2010, 97 Rn.8.

    30 LG Hamburg StV 2011, 148.31 NJW 2011, 881 (883); ebenso v. GalenNJW 2011, 945.32 Meyer-Goner, StPO, 54. Aufl. 2011, 53 Rn. 1; AG Bonn NStZ 2010,

    536.33 Meyer-Goner(Fn. 32), 53 Rn. 7, 16.34 Pfordte(Fn. 23), S. 740 (756); v. Galen NJW 2011, 945.

    35 Sidhu u.a. NJW 2011, 881 (883).36 Sidhu u.a.NJW 2011, 881 (883).37 BAG NJW 1995, 1236.

  • 7/26/2019 Nemo Tenetur y La Extencin de Kis Deberes de Informar Del Trabajador

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    AufstzeI. Roxin Compliance

    ren oder aufklren zu lassen und sie zu sanktionieren sowiemgliche Tter und Teilnehmer zu ermitteln.38 Hinsicht-lich des Wie der Aufklrung, bei der Wahl der konkretenAufklrungsmethode, hat die Unternehmensleitung aber ei-nen Ermessensspielraum.39 Das ergibt sich letztlich aus demGesetz. 93 Abs. 1 S. 2 AktG verlangt, dass der Vorstandauf der Grundlage angemessener Information handelt. Da-mit ist zugleich klar, dass den Vorstand keineswegs die Ver-pflichtung treffen kann, alle denkbaren Instrumente zurEruierung der Fakten kumulativ nebeneinander anzuwen-den.40 Der Arbeitgeber darf das ihm zustehende Weisungs-recht zur Auskunftserteilung nach der neueren Rechtspre-chung desBAGnur nach billigem Ermessen ausben.41 Diein 315 Abs. 1 BGB geforderte Billigkeit wird inhaltlichdurch die Grundrechte mitbestimmt.42 Dabei sind, so dasBAG, die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwir-kung zu sehen und so zu begrenzen, dass die geschtzten

    Rechtspositionen fr alle Beteiligten mglichst weitgehendwirksam werden43. Auf der Seite des Arbeitgebers ist diedurch Art. 12 GG geschtzte Unternehmensfreiheit zu be-achten, das Interesse an einer mglichst weitgehenden Sach-verhaltsaufklrung. Dem steht beim Arbeitnehmer das ver-fassungsrechtlich geschtzte Recht gegenber, sich nichtselbst belasten zu mssen und zu schweigen, um sich ineinem Strafverfahren ggf. wirkungsvoll verteidigen zu kn-nen. Bei der Abwgung der gegenlufigen Interessen ist derVerhltnismigkeitsgrundsatz zu beachten.44 Es ist also zufragen, ob die Selbstbelastung durch den Arbeitnehmer imRahmen der Interviews zur Sachverhaltsaufklrung ber-haupt notwendig ist. Die Frage ist zu verneinen. Wie wireingangs gesehen haben, sind die Interviews mit den Betrof-fenen nur eine zustzliche Absicherung der schon durch dieobjektiven Unterlagen oder Zeugen geschaffenen Verdachts-lage.45 Eine Verdachtskndigung wre mglich, wenn sieberhaupt zulssig wre. In der Literatur wird bei der Err-terung einer Kndigung auf die Annahme von Bestechungs-geldern hingewiesen.46 Es muss deshalb von einem Aus-kunftsverweigerungsrecht ausgegangen werden, wenn einArbeitnehmer bei einem Interview Gefahr laufen wrde,sich selbst zu belasten.47

    Strategie V: Hinweis an den Auftraggeber auf sein Ermessenund die Bercksichtigung des Verhltnismigkeitsgrund-satzes bei der Art und Weise der Aufklrung.

    Strategie VI: Keine Interviews der Arbeitnehmer zur Aufkl-rung notwendig.

    Allerdings mssen wir uns fragen, ob der Arbeitnehmernicht besser dastnde, wenn er die Amnestieregelung akzep-tierte, die ihm arbeitsrechtliche Sanktionierungen ersparteund ein Strafverfahren gegebenenfalls in Kauf nhme. DieseFrage kann man keineswegs ohne weiteres bejahen. Die Am-nestieregelung bedeutet nicht automatisch, dass ein Arbeit-nehmer sie in Anspruch nehmen kann. Wenn man die Zah-len bercksichtigt, die Jahn aus dem Siemens-Verfahrenberichtet, muss man zweifeln, ob das der bessere, weil siche-

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    rere Weg ist.48 Von 60 Arbeitnehmern war 10 die Amnestiezugebilligt worden, 2 waren abgelehnt worden und der Restwurde im Jahr 2009 noch berprft. Die Unsicherheit beiden Amnestieregelungen beruht darauf, dass der Arbeitgebersich ggf. auf den Standpunkt stellen kann, die Aussage warnicht vollstndig oder/und nicht wahrheitsgem.49 Hinzu-kommt, dass Amnestieregelungen hufig den Vorbehalt ei-ner strafrechtlichen Verurteilung enthalten.50 Dann stehtder Arbeitnehmer in jedem Fall schlechter dar, als wenn erdie Aussage verweigert. Zu bercksichtigen ist schlielichfolgendes: Zwar muss der Arbeitgeber Compliance-Versteder Arbeitnehmer sanktionieren.51 Anderenfalls wrden diegeneral- und spezialprventiven Aspekte einer Compliance-Regelung verfehlt. Hinsichtlich Art und Hhe der zu ver-hngenden Sanktion besteht jedoch ein Auswahlermessen.52

    Das ergibt sich bereits aus der Vielzahl der in Betracht kom-menden Ahndungsmglichkeiten: Abmahnung, Betriebs-

    bue, Umsetzung, verschiedene Kndigungsarten. Auchhier ist der Verhltnismigkeitsgrundsatz zu beachten. DieSanktion muss ultima ratio sein.53 Der Zweck der Compli-ance-Richtlinien, Einhaltung der Gesetze, muss anders nichterreichbar sein.

    Strategie VII: Keine arbeitsrechtlichen Manahmen not-wendig bei Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft.

    Folgt man der hier vorgeschlagenen Vorgehensweise der Ko-operation mit der Staatsanwaltschaft, dann mssen diebetroffenen Mitarbeiter mit einem strafrechtlichen Ermitt-lungsverfahren rechnen. Unter general- und spezialprventi-ven Gesichtspunkten ist dies zweifellos die effektivste Ma-nahme. Die Unternehmensleitung kann sicher sein, dass der

    betroffene Mitarbeiter keine strafrechtlichen Compliance-Verste wieder begeht. Weitere arbeitsrechtliche Manah-men sind in den Fllen, in denen im vermeintlichen Unter-nehmensinteresse gehandelt wurde, berflssig.

    38 ReichertZIS 2011, 113 (117); Rnnau/F. SchneiderZIP 2010, 53 (59).39 ReichertZIS 2011, 113 (117).40 ReichertZIS 2011, 113 (118).41 BAG, Urt. v. 10.10.2002 2 AZR 472/01.42 BAG (Fn. 41); s. auchMengel/HagemeisterBB 2007, 1386 (1387).43 BAG (Fn. 41).44 Reichold, Mnch. Handbuch Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, 49 Rn. 6; Dann/

    SchmidtNJW 2009, 1851 (1853).45 S. auchRudkowskiNZA 2011, 612 (613); MomsenDer Betrieb 2011, 1792

    (1794).46 MKo-BGB/Hergenrder, 5. Aufl. 2009, 1 KSchG Rn. 275; Gpfert/Mer-

    ten/SiegristNJW 2008, 1703; Ascheid/Preis/Schmidt, Kndigungsrecht BGB,

    3. Aufl. 2007, 626 Rn. 259a.47 So auch RudkowskiNZA 2011, 612 (613); Mengel/HagemeisterBB 2007,

    1386 (1389); BGH NJW-RR 1989, 614 (615);Reichold(Fn. 44), 49 Rn.7; Wastl/Litzka/Pusch NStZ 2009, 68 (73); a.A. Momsen ZIS 2011, 508(513).

    48 JahnStV 2009, 41 (42 mit Fn. 25).49 Wastl/Litzka/PuschNStZ 2009, 68 (71).50 MomsenZIS 2011, 508 (510);Knauer/BuhlmannAnwBl. 2010, 387 (388).51 ReichertZIS 2011, 113 (120).52 ReichertZIS 2011, 113 (120).53 Mengel-HagemeisterBB 2007, 1386 (1391); vgl. auch Kttner/Eisemann,

    Personalhandbuch, 18. Aufl. 2011, Rn. 12.